BÜRGERMEISTER FÜR KULTUR, INTEGRATION, SOZIALES UND SENIOREN
Auf dem Gründungsfest 2011
Ich möchte dieses Grußwort nutzen, mich und vielleicht auch Sie durch einen kleinen Exkurs dem zentralen Anspruch der beiden Protagonisten und ihrer Akademie anzunähern.

Es gibt in den Unterlagen zur Akademie nämlich einen – wie ich finde – ganz zentralen Begriff, den Begriff der „Sozialen Plastik“.

Joseph Beuys, sicher einer der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts, hat ihn geprägt. Mit seinem sogenannten „erweiterten Kunstbegriff“ wollte er die Kunst rausholen aus der Nische des Kunstbetriebs, wollte Kunst und Alltag, Kunst und Leben ganz neu zusammenbringen. Beuys wollte – und er hat es auf der documenta in Kassel auch getan – „7.000 Eichen pflanzen und Honig in die Politik pumpen!“ wie es die taz einmal pointiert zusammenfasste.

Was aber meinte Beuys mit seiner Begriffsprägung „soziale Plastik“? Und was mit dem berühmten und wahrscheinlich meist missverstandenen Spruch der jüngeren Kunstgeschichte, seiner Aussage „Jeder Mensch ist ein Künstler“?

Joseph Beuys begriff die Entwicklung der Gesellschaft als einen kontinuierlichen kreativen Prozess. Jeder Mensch, so Beuys, könne durch kreatives Handeln zum Wohl der Gemeinschaft beitragen und dadurch plastizierend auf die Gesellschaft einwirken. Das bedeutet – und hier schlage ich die Brücke zum Anspruch der Freien Landesakademie Kunst – dass jeder daran teilnehmen kann, das Leben sozial und kreativ zu gestalten.

Die Gesellschaft, die Demokratie aber eben auch ein Kindergarten, eine Schule oder ein Wirtschaftsbetrieb sollten als zu formende Kunstwerke betrachtet werden. Und dies nicht allein in ihrer materialisierten, gebauten Form, sondern primär in ihren inneren Abläufen, dem Bewusstsein und Handeln der in ihnen Tätigen. Dieser Prozess wäre die „Soziale Plastik“, in der sich jeder als Künstler fühlen sollte.

Damit aber die Formung einer Schule oder eines Betriebs als Kunstwerk oder als soziale Plastik gelingt, bedarf es Neugier, Offenheit, Kreativität und Phantasie. Die Aufgabe der Kunst im engeren Sinne und der Künstler/innen als Spezialisten und so eben auch die Aufgabe der Freien Landesakademie ist es, diesen Prozess bewusst zu machen und in konkreten gemeinsamen Projekten bei den Menschen diese zentralen Fähigkeiten freizulegen und zu entfalten, damit die Schule oder der Betrieb zu einer sozialen Plastik werden.

In etwa dieses, meine Damen und Herren, sehe ich als programmatischen Anspruch der Freien Landesakademie Kunst. Sie agiert genau an der Schnittstelle zwischen Kunst, Kindergärten, Schulen und Wirtschaftsbetrieben im Sinne der sozialen Plastik. Und sie will künftig noch viel intensiver und vor allem auch in komplexeren Zusammenhängen zwischen diesen Bereichen interagieren und wirken.

Der bedeutende Pädagoge Hartmut von Hentig hat mit Blick auf eine neue ganzheitliche Schulkultur einmal gesagt, ich zitiere: „Erlaubt den Schulen, ihre blöden Schulhöfe aufzureißen. Macht einen vernünftigen Garten daraus. Bepflanzt ihn. Stellt irgendwelche Dinge auf, die zu betätigen sind. So geht’s! Räumt Keller und Boden leer und macht Werkstätten daraus. Lasst euch von den örtlichen Unternehmen die Ausstattung schenken. Das muss man heute alles lernen. Macht diese Schule zu eurem Gemeindezentrum. Das springt auf die Bürger über. Die haben heute doch das Gefühl, unsere Kinder genügen einer Schulpflicht. Es müsste aber umgekehrt sein: wir haben hier die Geburtsstätte unserer Gemeinde.“

Dieser Anspruch an eine ganz andere, eine ganzheitliche Schulkultur lässt sich ohne Weiteres auch auf Betriebe und andere Einrichtungen übertragen.

Rita Deschler und Richard Schindler haben in dieser Richtung in den vergangenen Jahren schon eine ganze Reihe kleinerer und auch komplexer Modellprojekte in Kindergärten und Schulen, aber auch in Form von wissenschaftlichen Studien für die Industrie realisieren können. Mit der Freien Landesakademie Kunst wollen sie diese Erfahrungen in einer professionellen Struktur verstetigen und bieten sich als Partner an: von der Fortbildung für Künstlerinnen und Künstler über nachhaltige und langfristige Kooperationsprozesse mit Kindergärten, Schulen und Betrieben. Die beiden rennen damit bei der Stadt Freiburg offene Türen ein. Mit dem kulturkonzept.freiburg hat der Gemeinderat 2008 kulturpolitische Leitziele beschlossen, die, ebenso wie unser erarbeitetes Handlungskonzept Kulturelle Bildung, ein breiteres Bewusstsein für die Notwendigkeit und die Bedeutung solcher Partnerschaften im magischen Dreieck Kunst, Soziales und Bildung geschaffen haben.

Seitdem entwickeln sich erfreulicherweise in allen künstlerischen Sparten und Bereichen innerhalb und außerhalb unseres stadtweiten Netzwerks Kulturelle Bildung beeindruckende und spannende Projekte und auch zunehmend mehrjährige und nachhaltige Kooperationen. Die Vielfalt und Buntheit dieser wichtigen Arbeit hier auszubreiten, würde allerdings den Rahmen der mir hier zur Verfügung stehenden Zeit sprengen.

Deshalb wünsche ich nun der Freien Landesakademie Kunst und Ihnen, liebe Frau Deschler und lieber Herr Schindler, für Ihre künftigen Projekte und die Entfaltung der Akademie viel Erfolg und hoffe, dass sie mit Ihrer Energie und ihrem Engagement viele potentielle Partner infizieren und bereichern können.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Ulrich von Kirchbach
Bürgermeister